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Der Wert der Stille

In der vergangenen Woche habe ich mich bewusst für eine Woche aus der Hektik des Alltags zurückgezogen, um für eine Prüfung zu lernen. Fernab von E-Mails, Menschen, die mir gerade alle erklären wollen, wie ich mein Unternehmen mit Social Media zum Erfolg führen kann, und dem ständigen Lärm der Stadt erlebte ich eine tiefe Stille, die in unserem modernen Leben viel zu selten geworden ist. Was bedeutet Stille eigentlich? Zurück in der Social-Media-Welt entdeckte ich die provokanten und gesellschafts-kritischen Schriften des deutsch-koreanischen Philosophen Byung-Chul Han. Darin findet sich seine Sicht auf den Wert der Stille in unserer überreizten Zeit. Diese möchte ich heute mit euch teilen.

Byung-Chul Han beschreibt unsere Zeit als "Müdigkeitsgesellschaft", geprägt von Hypervernetzung, permanenter Leistungsbereitschaft und einem Übermaß an positiven Selbstansprüchen, die paradoxerweise zu kollektiver Erschöpfung und Sinnlosigkeit führen. In dieser hyperinformativen Realität, so argumentiert er, wird Stille zur Mangelware, fast zu einem Luxus, den sich nur wenige leisten können oder wollen.

Meine Erfahrung des Rückzugs, des Abschaltens und der Beschränkung meiner digitalen Interaktionen hat Hans Konzept mit Leben erfüllt. In der Stille der Meditation entdecke ich immer wieder aufs Neue, was Han "vertikale Tiefe" nennt - eine tiefe Ebene des Gewahrseins, die im Alltagslärm untergeht. Ich fühlte mich dann, als würde ich die Oberflächlichkeit des ewigen Springens durch das Leben, des Scrollens und Klickens gegen ein reichhaltiges Innenleben tauschen, das Raum zum Nachdenken, für Kreativität und echtes Einfühlungsvermögen gibt.

In der Hektik unserer Informationsgesellschaft wird das ständige Rauschen zum Hintergrund unseres Daseins. Doch dieser Lärm dient nicht nur der Ablenkung, er entfremdet uns auch von uns selbst, untergräbt unsere Fähigkeit zur Selbstreflexion und erschwert tiefe zwischenmenschliche Beziehungen. Han fordert uns auf, diese Umstände zu hinterfragen und die essentielle Rolle der Stille wiederzuentdecken. Stille ist nicht einfach die Abwesenheit von Lärm. Sie ist ein Zustand tiefer geistiger und emotionaler Ruhe, der es ermöglicht, das Leben in seiner Komplexität und Schönheit wahrzunehmen. Sie ist eine Gegenbewegung zur Reizüberflutung, ein Akt des Widerstands gegen die Diktatur der Hyperaktivität.

Die Stille, die ich während meiner Auszeit erlebte, war nicht nur erholsam, sondern auch erhellend. Es war eine Erinnerung daran, dass wir trotz des Drucks der modernen Gesellschaft immer noch die Freiheit haben, uns Momente der Ruhe und Besinnung zu wählen. Indem wir uns Zeit nehmen, abzuschalten, uns zu zentrieren und Stille zuzulassen, können wir uns zumindest temporär von den Fesseln der "Müdigkeitsgesellschaft" befreien und Wege finden, unser Leben bewusster und authentischer zu gestalten.

Byung-Chul Han lehrt uns, dass es in einer Welt voller Lärm subversiv, kraftvoll und zutiefst menschlich ist, sich für die Stille zu entscheiden. Sie ist ein erster Schritt zur Heilung nicht nur unserer selbst, sondern auch der Gesellschaft, in der wir leben. In der Stille finden wir zu uns selbst, entdecken unsere innere Tiefe und erkennen, dass wahre Erfüllung in der Qualität unserer Gedanken, unserer Beziehungen und unseres inneren Friedens liegt.

Um diese kostbare Stille zurückzugewinnen, spricht sich Han dafür aus, sich der endlosen Produktivität und dem Konsumismus zu widersetzen, die unsere Zeit kennzeichnen. Dies beinhaltet eine bewusste Abkehr von der ständigen Erreichbarkeit und der Selbstdarstellung, die soziale Medien fördern, sowie eine Hinwendung zu Praktiken, die die Stille fördern, wie Meditation, das Lesen von Büchern, Bach hören, Spaziergänge in der Natur oder einfach das bewusste Nichtstun.

Der Wiedergewinn der Stille in unserem Leben ist nicht nur eine persönliche, sondern auch eine kulturelle und gesellschaftliche Herausforderung. In einer Welt, die von Byung-Chul Han als "Müdigkeitsgesellschaft" oder auch "Kommunikationsinferno" beschrieben wird, ist die Entscheidung für die Stille eine subversive Tat. Sie erfordert den Mut, sich den Erwartungen der Gesellschaft zu widersetzen, sich vom digitalen Lärm abzuwenden und einen Raum zu schaffen, in dem das Selbst gedeihen kann. Indem wir die Stille pflegen, bieten wir nicht nur Widerstand gegen eine oberflächliche und erschöpfende Kultur, sondern öffnen auch die Tür zu einer tieferen und sinnvolleren Existenz.